13.08.2020 | ca. 8 min. Lesezeit | Artikel drucken

Corona-Impfstoff: Welche Pharma-Aktien gehören zu den Gewinnern?

Russland hat die erste Etappe im Wettlauf um einen wirksamen Impfstoff gewonnen. Doch das Rennen ist noch nicht vorbei. Auf der ganzen Welt wollen Pharma- und Biotech-Unternehmen zusammen mit Regierungen Covid-19 ein Ende setzen und dabei das Geschäft ihres Lebens machen. Hier sind aussichtsreiche Impfstoff-Kandidaten, Überflieger-Aktien und Hoffnungsträger.

Die Tochter von Wladimir Putin hat ihn schon: Den brandneuen Impfstoff gegen das Corona-Virus aus dem Gamaleya Institut in Moskau. Während sich die Russen als die Sieger im Wettlauf um einen wirksamen Impfstoff feiern, ist der Rest der Welt noch nicht überzeugt: Es fehlen wichtige wissenschaftliche Daten, die Phase 3 der klinischen Tests ist noch lange nicht abgeschlossen und die Sicherheit des Wirkstoffes noch nicht bestätigt.

Indes geht das Rennen um die Zulassung von Covid-Impfstoffen auf der ganzen Welt in die nächste Etappe. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge gibt es weltweit etwa 160 mögliche Impfstoffe und 26 laufende klinische Studien.

Moderna in den USA

Die US-Regierung kauft 100 Millionen Dosen des Covid-19-Impfstoffes von Moderna aus Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts, einem der aussichtsreichsten Biotech-Unternehmen im globalen Wettstreit. Die Kosten betragen 1,5 Milliarden US-Dollar für einen Wirkstoff mit der Bezeichnung mRNA-1273, der ebenfalls die dritte und wichtigste Phase klinischer Tests noch nicht abgeschlossen hat.

Moderna verwendet eine noch nie da gewesene „mRNA“-Methode, bei der körpereigene Zellen durch Einschreibungen in den genetischen Code dazu angeregt werden, Proteinzellen zu bilden, die den typischen Spitzen des Corona-Virus ähneln. Dabei wird das Immunsystem dazu angeregt, Antikörper zu bilden, die bei einer Infektion mit Corona das Virus bekämpfen können. Falls erfolgreich, könnte diese Methode wesentlich schneller skaliert werden als herkömmliche Impfstoffe.

Als die Aktienkurse auf der ganzen Welt infolge der Corona-Lockdowns einbrachen, begann der Aufstieg der Moderna-Aktie, der bis heute anhält. Von März bis Juli 2020 haben Spekulanten den Aktienkurs von 18 auf über 80 EUR vervierfacht. Mit dem Auftauchen von weiteren Impfstoff-Kandidaten hat die Aktie jedoch einen Teil der Gewinne schon wieder einbüßen müssen (Stand: 12. August 2020).

 

Achtung: Dieser Artikel beinhaltet keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung, sondern dient einzig der Informationsvermittlung. Investitionen in Einzelaktien bergen aufgrund der hohen Volatilität und geringer Diversifikation ein erhöhtes Risiko. Mit einem global diversifizierten Portfolio können Anleger diesem Risiko entgegenwirken. Mehr zum Thema Diversifikation erfahren Sie hier.  

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Viele wertvolle Impfstoffe gehen zuerst in die USA.
Die ersten Impfstoffe werden wahrscheinlich zuerst in die USA gehen.

 

BioNTech und Pfizer

Bereits im Juli verkündeten das deutsche Pharma-Unternehmen BioNTech zusammen mit dem New Yorker Pfizer-Konzern einen Deal mit der US-Regierung über den Verkauf von 100 Millionen Dosen ihres Corona-Impfstoffes für 1,95 Milliarden USD. Die Parteien behalten sich eine Ausweitung auf 500 Millionen Dosen vor, denn der Impfstoff muss voraussichtlich zwei Mal verabreicht werden. Der Rest der Welt muss vermutlich etwas länger auf den Impfstoff warten: BioNTech und Pfizer verkünden, dass sie bis Ende des Jahres 2021 etwa 1,4 Milliarden Impfdosen liefern könnten.

Der Aktienkurs des Mainzer BioNTech-Unternehmens hat sich während der Corona-Pandemie in der Spitze verdoppelt. Doch auch hier zeigt sich die große Gefahr von Investitionen in Einzelaktien. Seit ihrem letzten Höchststand mit 87 EUR am 22. Juli hat die Aktie bis Mitte August über 30 % wieder verloren.

Die Pfizer-Aktie bewegt sich sehr volatil seitwärts und hat seit Jahresbeginn gerade einmal 0,31 % erzielt. Trotz Aussichten auf einen Impfstoff zur Bekämpfung der Corona-Pandemie konnte die Aktie den langjährigen Abwärtstrend seit dem Höchststand von etwa 40 EUR im November 2018 nicht beenden. Der Wert von Pfizer-Aktien liegt derzeit bei 32,50 EUR (12. August 2020).

Oxford University and AstraZeneca

Elite-Uni trifft auf Pharma-Giganten: Auch beim Impfstoff der Londoner Oxford University in Zusammenarbeit mit dem Pharma-Konzern AstraZeneca hat die US-Regierung bereits ihre Finger im Spiel. Die ersten 300 Millionen Dosen gehen an die USA für eine Milliarde USD. AstraZeneca hat jedoch verkündet, autonome Lieferketten auf vier Kontinenten zu etablieren, um sicherzustellen, dass nationale Interessen die globale Distribution des Impfstoffes nicht behindern können.

In Italien sollen 450 Millionen Dosen des Oxford-Impfstoffes produziert werden. Zielländer sind Frankreich, Deutschland und die Niederlande. Aber wie und wann der Impfstoff verteilt wird, wurde noch nicht angekündigt. Die größte Produktionsstätte steht wiederum in Indien, das Serum Institut könnte etwa 2 Milliarden Dosen pro Jahr produzieren. Ob es dazu kommt, hängt von der finalen Zulassung ab.

Im Gegensatz zu vielen anderen Pharma-Konzernen kann die AstraZeneca-Aktie auf einen dreijährigen Aufwärtstrend zurückblicken. Nach einem sehr kurzen Corona-Schock erreichte die Aktie Mitte Juli ihren Höchststand von über 100 Euro und notiert seitdem in der Nähe neuer Höchststände. Doch auch hier gilt: Ob sich der Aufwärtstrend fortsetzen lässt, kann derzeit niemand abschätzen.

Weitere Impfstoffe in der finalen Zulassungsphase

Die Bekämpfung der globalen Pandemie hängt von der Zulassung der Impfstoffe ab.
Wann erfolgt die Zulassung der Impfstoffe?

Neben den bereits genannten Kandidaten befinden sich weitere Impfstoffe in Phase 3 der klinischen Tests. Die meisten davon kommen von chinesischen Unternehmen.

Der chinesische Hersteller Fosun testet sein Mittel bereits an Personen in den USA, Argentinien, Deutschland und Brasilien. Das Unternehmen Cansino Biologics will einen eigenen Wirkstoff in Saudi Arabien testen. Sinopharm arbeitet mit Instituten in Wuhan und Peking zusammen und testet einen Impfstoff in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das Privatunternehmen Sinovac Biotech testet bereits in Brasilien.

In Australien arbeitet das Murdoch Children Institute an der Weiterentwicklung eines alten Tuberkulose-Medikamentes, das vor einer Corona-Infektion schützen könnte. Produziert wird es derzeit in Brasilien, Griechenland und Japan.

Nach der Zulassung: Verteilungskampf oder globale Distribution?

Während die Entwicklung auf Hochtouren läuft und eine absehbare Zulassung Investoren zu Spekulationen verführt, zeichnet sich ab, dass die Verteilung der Impfstoffe auf der ganzen Welt von Protektionismus und Eigeninteresse der reichen Staaten geprägt sein werden. Allen voran die USA sichern sich mit ihrer „America First“-Doktrin schon jetzt wertvolle Ressourcen, wahrscheinlich zum Nachteil ärmerer Länder. Der französische Hersteller Sanofi verkündet, dass die ersten Impfdosen in die USA verschickt werden, weil die US-Regierung das Unternehmen früh mit Geld unterstützt hat.

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung vorab  23 % der Anteile der Tübinger CureVac AG gekauft, um das Unternehmen und deren Technologie vor den Einflüssen globaler Investoren zu schützen. CureVac wird ab Mitte August 2020 an der US-Börse für Technologiewerte NASDAQ gelistet.

US-Präsident Trump gerät nach der Verkündung des Impfstoffes aus Russland und der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen zunehmend unter Druck. Trump könnte Beobachtern zufolge den Zulassungsprozess heimischer Wirkstoffe verkürzen (Operation Warp Speed), um seine Chancen für eine Wiederwahl im November zu erhöhen.

Um nationalistischen Tendenzen entgegenzuwirken, gibt es eine Initiative für den gleichberechtigten Zugang zum Impfstoff mit dem Namen Covax. Die WHO hat gemeinsam Covax zusammen mit der globalen Impfstoff-Allianz GAVI und der internationalen Organisation CEPI ins Leben gerufen. Zwei Milliarden Dosen sollen bis Ende kommenden Jahres gekauft und an etwa 90 ärmere Länder auf der Welt verteilt werden.

Es ist fraglich, ob Covax in dem geplanten Ausmaß Impfstoff einkaufen und verteilen kann. Denn zuerst müssen die Impfstoffe final zugelassen werden und danach stellt sich die Frage nach dem Ablauf der Massenproduktion und der Entstehung von Lieferketten.

Wo ist der Ausweg aus dem Dilemma?

Obwohl 75 reichere Länder die Covax-Initiative offiziell unterstützen, verfolgen viele von ihnen auch Eigeninteressen. Die nationalen Staaten befinden sich in einer neuen Runde des Gefangenendilemmas, ein Konzept aus der Spieltheorie, wie es zuletzt im Kalten Krieg zwischen Russland und den USA vorherrschte. Nur geht es dieses Mal nicht um einen Rüstungswettlauf. Es geht um die Frage, ob globale Kooperation oder eine Impfstoff-Entwicklung in Eigenregie schneller zum Erfolg führt. Reiche Staaten mit vielen Ressourcen könnten sich für eine nationalistische Antwort auf diese Frage entscheiden, zum Nachteil von ärmeren Regionen in der Welt, in denen das Corona-Virus derzeit ungebremst wütet.

Wer sich anhand dieser vielen offenen Fragen auf Börsenparkett begibt, um auf einzelne Impfstoff-Aktien zu setzen, sollte sich der hohen Risiken bewusst sein, das mit Investitionen in Einzelaktien einhergeht. Anleger mit einem global diversifizierten Portfolio sind im ersten Halbjahr hingegen gut durch die Krise gekommen. Viele globale Aktienindizes haben die Verluste nach dem großen Crash im April bereits wieder aufholen können.

 

Achtung: Dieser Artikel beinhaltet keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung, sondern dient einzig der Informationsvermittlung. Investitionen in Einzelaktien bergen aufgrund der hohen Volatilität und geringer Diversifikation ein erhöhtes Risiko. Mit einem global diversifizierten Portfolio können Anleger diesem Risiko entgegenwirken. Mehr zum Thema Diversifikation erfahren Sie hier.  

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Quellen: FT (Link, Link), Bloomberg (Link, Link, Link), Foreign Affairs, ARD, WHO, EU, VFA, NY Times.

 

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