27.01.2016 | ca. 6 min. Lesezeit | Artikel drucken

Bitkom im WeltSparen Interview (2. Teil)

Wir führen heute unser Interview mit Steffen von Blumröder vom Bitkom fort.

Worin sehen Sie die größten Veränderungen im traditionellen Finanzbereich in den nächsten Jahren?
Die Finanzwelt hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Dies insbesondere durch Digitalisierung und Innovation im Bereich der Finanzdienstleistungen. Neue Kundenerwartungen (Digitalisierung), Vertrauensverlust für etablierte Player (Finanzkrise 2008), struktureller Wandel (z. B. Konsolidierungen der Institute, Filialschließungen) oder die Umsetzung regulatorischer Maßnahmen treiben den Finanzsektor um. Auf diesen Umstand reagieren FinTechs: weltweit werden neue innovative Unternehmen gegründet, die einzelne Dienstleistungen der Finanzbranche ausgliedern und digitalisieren. Für Banken entsteht dadurch ein Konkurrenzklima, das frischen Wind in die Finanzbranche bringt.
Nachdem am Anfang durchaus Skepsis auf Seiten der traditionellen Banken herrschte und man sich nur ungern mit dem Thema FinTechs auseinandersetzte, haben inzwischen viele Finanzinstitute die Zeichen der Zeit erkannt und versuchen sich in Stellung zu bringen. Es heißt Umdenken, wenn man sich die Entwicklung in der Finanzwelt anschaut. Fast wöchentlich tauchen wie oben beschrieben neue Geschäftsideen rund um die Banken und Versicherungswelt auf. Die deutschen Banken reagieren unterschiedlich auf dieses Umfeld: sie kooperieren mit FinTechs, beteiligen sich und fördern diese oder kopieren ihre Ideen gar. Mit steigenden Transaktionsvolumina gewinnen diese Angebote insgesamt stark an Bedeutung. Ziel fast aller FinTechs ist es Gebühren einzusparen und mehr Transparenz über Kosten, Produkte und Prozesse zu schaffen.

Und genau hier kommen Begriffe wie „Frenemies“ oder „Co-Opetition“ ins Spiel, die das aktuelle Marktumfeld sehr gut beschreiben können.

Banken sehen große Chancen darin in Zukunft nicht mehr alles Inhouse zu entwickeln, sondern mit den neuen Playern zu kooperieren und dadurch flexibler zu agieren. Grundsätzlich ändert sich dabei auch die Herangehensweise. In der Vergangenheit haben Banken eher aus einer Produktsicht heraus agiert, indem neue Produkte konzipiert wurden und anschließend in den Filialvertrieb gegeben wurden. Heute hat der Endverbraucher durch das Internet deutlich mehr Informationen zur Verfügung und kann diese einfacher mit einander vergleichen. Darüber hinaus hat sich der Kunde verändert und hat andere Erwartungen an seine Dienstleister. Einen Online Zugang über den PC reicht schon lange nicht mehr aus.
Die Verbraucher können nunmehr ihr Konto online über Smartphone, Tablet oder PC eröffnen, ohne hierzu in eine Bankfiliale gehen zu müssen. Festgelder können von zuhause im europäischen Ausland angelegt werden, ihre Versicherungen online eingesehen, verwaltet und abgeschlossen werden. Darüber hinaus können Konsumenten kurzfristige Kredite online mittels Besicherung durch einen Pfand aufnehmen, ihr Vermögen online anlegen und verwalten lassen und im E-Commerce direkt oder per Ratenkredite bezahlen. Neue Kreditscoring Modelle helfen den Online-Anbietern bessere Bonitätsentscheidungen zu treffen. In den vergangenen Monaten haben sich einige der FinTechs auch mit dem lange verwaisten Thema rund um den schnellen, digitalen Kontowechsel befasst der durch die Zahlungskontenrichtlinie ermöglicht wird.
Vielen ist bewusst, wie extrem reguliert die Finanzindustrie gerade in Deutschland ist. Viele Banken haben die Notwendigkeit für sich entdeckt, dass auch junge Startups je nach angebotener Finanzdienstleistung über eine Bankenlizenz verfügen müssten.

Es ist ein komplett neues Segment entstanden, indem Banken als Lizenzsponsor für FinTechs agieren. Für beide Seiten eine Win-Win Situation.

Diese Beispiele zeigen, dass die Zusammenarbeit zwischen den innovativen Start-ups mit den traditionellen Unternehmen schon sehr gut funktioniert. Durch die FinTechs können die Traditionsunternehmen durch Partnerschaften und Kooperationen auf den Zug der „Digitalisierung“ aufspringen und somit den Kunden zeigen, dass sie in der Lage sind, sich deren Wünschen und Bedürfnissen nach Flexibilität, Geschwindigkeit und Innovation anzupassen. Gleichzeitig können aber auch die jungen Unternehmen von der Expertise und dem Kundenvertrauen der großen Banken und Versicherungen profitieren. Bitkom ist der Treiber für das Digital Banking der Zukunft und engagiert sich in vielen Initiativen rund ums Thema. Mehr zum Thema Bitkom & Banking inklusiver aller gesetzlichen Kommentierung, Leitfäden und Positionspapiere gibt es hier: www.bitkom.org/Themen/Branchen/Banking-Finance/index.jsp

In den letzten Jahren gab es einen regelrechten FinTech Boom. Wie bewerten Sie die Entwicklung?
Die FinTechs haben den Verbrauchern einen neuen Zugang zur Finanzwelt geschaffen. Der Zuspruch der Nutzer ist enorm und lässt auch traditionelle Banken umdenken. Sie suchen wie oben beschrieben nach Synergien mit den FinTechs und erarbeiten gemeinsam Lösungen, die der zunehmenden Nutzung von mobilen Endgeräten Rechnung tragen. FinTechs adressieren neue Kundenerwartungen nach intuitiven Produkten und effizienten Prozessen auf digitalen Kanälen. Das Angebot von FinTechs fokussiert dabei typischerweise auf einzelne Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette von Banken und Finanzdienstleistern, auf einzelne Dienstleistungen (Unbundling) oder auf die Disintermediation der bestehenden Wertschöpfung. Viele setzten dabei komplett auf Lösungen für mobile Endgeräte. Nach aktuellen Schätzungen gibt es weltweit rund 25.000 FinTechs mit ca. 500.000 Mitarbeitern und einem Investitionsvolumen von mehreren Milliarden Euro. In Deutschland geht man von rund 300 FinTechs aus.
Allerdings bewerten es viele Start-ups bereits als Erfolg, wenn es ihnen gelungen ist, kundenfreundlichere Lösungen für bestimmte Produkte oder Service anbieten zu können als die traditionellen Anbieter. Die Optimierung des Zugangs zum Produkt und des User Front Ends (Applikation, webbasierte Benutzeroberflächen, etc.) selbst stellt aber nur bedingt eine Innovation an sich dar und kann nicht als disruptiv angesehen werden. Nichtsdestotrotz führt der anfängliche Erfolg dazu, dass manches FinTech sich die Übernahme weiterer Schritte der Wertschöpfungskette und damit von Kernfunktionen von Banken zu einfach vorstellt. Die FinTechs berücksichtigen nicht und/oder bagatellisieren die Regulierung selber und deren Konsequenzen für die Produktgestaltung und die notwendigen Investitionen in Personal, Marketing und IT-Infrastruktur.

Welpenschutz für FinTechs – gibt es das?
In den Medien wird im Zusammenhang mit den FinTechs oftmals der Ausdruck des „Welpenschutzes“ gebraucht. Dieser suggeriert, dass FinTechs in einer Art unregulierten Vakuum agieren. Davon kann jedoch nicht die Rede sein. Die regulatorischen Anforderungen der FinTechs sehr nämlich äußerst unterschiedlich und viele Segmente in denen sich die jungen Entrepreneure tummeln sind längst reguliert. Zuletzt durch das Kleinanlegerschutzgesetz wurden im vergangen Jahr die Crowd-Investing Unternehmen reguliert. Ähnliches gilt auch für den Zahlungsverkehr oder das Factoring. Bevor man also für mehr Regulierung von FinTechs eintritt, sollte man genau das entsprechende Segment belegen und sich nicht für eine Marktabschottung einsetzten. Grundsätzlich ist gegen eine zielgenaue Regulierung und damit ein Level Playing Field für alle Akteure nichts einzuwenden. Diese neuen Vorschriften müssen jedoch auch die Digitalisierung berücksichtigen, und auch die Möglichkeit für junge Unternehmen bieten mit neuen technologischen Ansätzen im Markt aktiv sein zu können. Allerdings sind in den Gesetztes-Initiativen immer wieder Medienbrüche zu erkennen. Dies bedeutet, dass Prozesse nicht voll digital durchgeführt werden können, wie zum Beispiel das Ausdrucken und anschließende händische Unterschreiben von Formularen.
Bitkom hat sich in den vergangenen 24 Monaten als die Interessensvertretung der FinTechs in Deutschland etabliert und vertritt inzwischen zahlreiche Startups aus den unterschiedlichen FinTech Segmenten. Wir adressieren die Herausforderungen für die FinTechs bei den entsprechenden Ministerien, Behörden und Parlament und beraten Sie bezüglich Government Relations und neuen Regulierungsinitiativen.
Zum Thema haben wir erst kürzlich ein Positionspapier zum Status Quo der FinTechs in Deutschland veröffentlicht.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!